Jacques Prévert (1900-1977):
(franz.Lyriker und Drehbuchautor)
Wie man einen Vogel malt
Male zuerst einen Käfig mit einer offenen Tür.
Dann male irgendetwas Hübsches, irgendetwas Einfaches, irgendetwas Nützliches,
was den Vogel angeht.
So lehne die Leinwand an einen Baum in einem Garten, in einem Wäldchen.
Verbirg dich hinter dem Baum, ohne zu sprechen, ohne dich zu rühren.
Bisweilen kommt der Vogel bald, aber es kann ebenso gut viele Jahre brauchen,
bis er sich dazu entschließt.
Verlier' nicht den Mut - warte, warte – wenn's sein muss jahrelang,
denn der rasche oder langsame Anflug des Vogels hat nichts zu tun mit dem
Gelingen des Bildes.
Wenn der Vogel kommt, so sei ganz still, warte bis der Vogel in den Käfig schlüpft,
und wenn er hineingeschlüpft ist, schließe mit dem Pinsel leise die Tür,
dann tilge nacheinander die Gitterstäbe aus, wobei du keine einzige Feder
des Vogels berühren darfst.
Sodann male den Baum und wähle den schönsten seiner Äste für den Vogel –
male auch das grüne Laub und den frischen Wind, den Sonnenstaub,
und das Gesumm der Grastiere in der Sonnenglut.
Und dann warte, ob der Vogel sich entschließt zu singen.
Wenn der Vogel nicht singt, so ist es ein schlechtes Zeichen, ein Zeichen,
dass das Bild schlecht ist.
Aber wenn er singt, ist es ein gutes Zeichen, ein Zeichen, dass du das Bild
mit deinem Namen zeichnen darfst.
Dann zupfst du ganz sacht eine Feder aus dem Vogelgefieder
und schreibst in eine Ecke des Bildes deinen Namen nieder.